Wer kennt sie nicht, die heiß und innig geliebte Komm-vor-Zone.
Warum sie so heisst? Weil man sich schwer tut, aus ihr hervorzukommen. Und wie wir alle wissen, gibt es dabei immer zwei Optionen. Verharren. Oder eben machen.
Es gibt eben diesen einen Typ Mensch, der stoisch in seinem Tümpel hockt. Nilpferdgleich bis zum Hals im eigenen Scheiss verweilt, dann ab und an mit Getöse auftaucht, die Klappe maximal aufreisst, nur um im gleichen Moment wieder in den Untiefen des eigenen Sumpfes abzutauchen.
Und dann gibt es mein Schwänchen.
Jeder TÜV-Prüfer hätte zu den Herztabletten gegriffen bei ihrem ersten Auto, aber sie war sich nie zu schade, damit in die letzten Winkel der Republik zu fahren, mit der Idee, fotografisch etwas aus dem Füllhorn der Kreativität perlen zu lassen.
Und wenn ich mich recht entsinne, war unser Startschuss für eine besondere Freundschaft im Jahre des Herren 2012. Initiiert durch meine Serie „Dance and the City“, bei der ich Tänzerinnen aller couleur aufrief, mit mir und meiner Kamera durch die Löwenstadt zu tanzen.
Angeblich hing die Latte hoch, denn ich hatte mit der ersten Tänzerin des Staatstheaters Flensburg den Reigen eröffnet. Für mich kein Grund, willige und bedürftige Tänzerinnen abzulehnen, aber wie ich später erfuhr, maßen sich viele an diesen Bildern. Was aber tatsächlich nie mein Ansinnen dabei war.
Ein kecker Teenie aus der Nachbarstadt jedoch nahm – so berichtete sie mir irgendwann später mal bei fettigen Pommes und drittklassigen Burgern nach einem durchgerockten gemeinsamen Fotoworkshop in Hamburg – all ihren jugendlichen Wahn und Mut zusammen, um sich mir aufzudrängen.
Selten musste man mich so wenig bitten, denn irgendein kleines Männchen in meinem Kopf, im Paralleluniversum oder meinem Ohr schrie mir ins letztere, dass ich geteert und gefedert gehörte, gäbe ich ihr einen Korb.
Und was soll ich sagen? Wer neben einer 110 Tonnen schweren Dampflok mit federzarten 48 Kilo soviel optische Präsenz hat, mit der MUSS ich einfach Bilder machen. Und nach den ersten 10 Auslösungen war mir klar, dass es ein fotografischen „WIR“ geben wird.
Nun gebe ich an der Stelle auch zu, dass ich natürlich – mal wieder – im Vorfeld die Klappe ordentlich weit aufgerissen hatte, in dem Moment als ich Fotos von ihr sah, die „wer anders“ gemacht hatte. Wie man vielleicht erahnen kann, waren die dortigen Ergebnisse für mein Dafürhalten das, was ich gerne als „Perlen vor die Säue geworfen“ bezeichnete.
Mehr provoziert als beeindruckt wollte sie aber nun auch wissen, ob der Typ, der sonst nur „nackte Weiber“ im Portfolio hat, auch wirklich liefert.
Und so waren wir bei bestem Frühlingswetter im April 2012 nicht nur vorm Bahnhof in Braunschweig unterwegs, sondern machten danach mein Studio zur Schwanensee-Bühne.
Öfter mal gab es bei Shootings mit Menschen, die ich bzw. die mich bis dato nur übers Internet „kannten“ anfängliche Momente dieser peinlichen Stille und vorsichtiger Abtastung.
Sie bewies, dass es auch anders ging. Geschrieben, verabredet, gesehen und zu 100 % verstanden. Sowohl künstlerisch. als auch zwischenmenschlich. Denn obwohl – und ich dachte nicht, dass ich den Satz mal sagen würde – ich hätte ihr Vater sein können, war und ist jedes Gespräch auf Augenhöhe. Ausser ich lag ihr mal wieder zu Füßen im Studio. Was ich in 95% der Fälle tat. Aber das nur am Rande.
Ballettös war’s. Und ich sah – und sehe mich immer noch – darin bestätigt. Mit Profis zusammenarbeiten, bringt die Sache massivst voran. Auch wenn ich jetzt ihre Stimme im Ohr habe, die energisch betont, dass sie das ganze nur als Freizeitbeschäftigung mache. Und sie wird meine Stimme im Ohr haben, die erwidert, dass es völlig Latte ist ist, ob Profi oder Amateur, Hauptsache geil und konsequent!
Shooting Nummer Zwei – ein Vierteljahr später – war somit schon verabredet, bevor das erste zur Hälfte rum war. Weissen Schwan hatten wir. Deswegen musste der schwarze her,
Und neben der selbstgeißlerischen Hingabe dem Ballett gegenüber besitzt sie dieses Kreativ-Gen und das Leuchten in den Augen, wenn es darum geht, augenscheinlich bekannte Motive mit dem nötigen Esprit umzugestalten durch allerlei Bastelei.
So begannen wir an dem Tag spontan ein Kleid zu schneidern im Studio. Den Ballen Sackleinen hatte ich eigentlich für eine andere Sache besorgt. Der Mangel an Ordnung ließ ihn aber offen rumliegen und innerhalb von drei Minuten feuerwerksartiger Ideenspinnerei schnippelten und schnürten wir ein Outfit zusammen. Der 130 Jahre alte Dreschflegel meiner Ururgroßeltern kam dabei nur zu gelegen, dass Bild zu komplettieren.
Wie Wundertüte der Ideen war ruckzuck voll, sodass Shooting Nummer Drei schon festgezurrt wurde.
Nun sind Tänzer eitle Wesen. Aber die leidensfähigsten dabei. Denn alles wird der Materie Tanz untergeordnet. Nur um am Ende das beste Sprachrohr der bewegten Kunst zu werden. Das geht natürlich nicht spurlos an einem Körper vorüber. Und so wie Goethe einst schrieb .
„Halb zog sie ihn, halb sank er hin…“ verzichtete sie beim nächsten Mal auf lästigen Zierrat und vor allem auf alles, was man Kleidung nennen konnte. Bestens gekleidet mit ihren Spitzenschuhen, bewegte sie sich bei ihrem – offiziell – ersten Aktfotoshooting souverän wie nur wenige vor der Kamera.
Von April bis August hat’s nur gedauert, und sie hat ihre Passion gefunden. Gekleidet mit dem natürlichsten Kleid des femininen Körpers widerlegte sie jeden Zweifel an der Richtigkeit ihres Plans. Wirklich eingeweiht war ich von ihrer Nude-Performance nicht, aber sie wusste, dass sie sich zu 100 % drauf verlassen konnte, dass sie bei mir an der richtigen Adresse damit war. Gerade auch, weil sie im Vorfeld zahlreiche Anfragen diesbezüglich dankend abgelehnt hatte.. Und ich bremse keine 20-jährige Athletin, wenn sie sagt, dass sie in ihren momentanen Zustand nie wieder erreichen würde. Ich bewies ihr später das Gegenteil, aber das ist eine andere Geschichte.
War’s dann erstmal genug Tanz und feine Kunst, dürstete es sie nach anderem. Und eh ich Desoxyribonukleinsäure aussprechen konnte, lag sie in meinem heimischen Wohnzimmer auf dem fotogensten Dielenboden, den ich je besaß.
Mal weg vom Ballettmädchen. Es durfte Eros seinen Glitzer durch die Sphären streuen und so entstand eine kleine, aber feine Bilderreihe aus der Kategorie „Huiiiiii, das ist ja wirklich mal was anderes.“
Der geneigte Bein-Afficionado wird bemerken, dass es nicht ganz ohne die tänzerische Eleganz geht, aber warum das Angenehme nicht mit dem Nützlichen kombinieren?
Eben noch in meiner bescheidenen Hütte das sinnliche Feuerwerk geliefert, war Shooting Nummer Fünf wieder im Bereich der Epik und der Bastelei.
Wenn jemandem der Terminus „Teichschutzmatte“ etwas sagt, wird er wahrscheinlich entweder hier in meinem Blog nicht zugegen sein, weil er mit Teichen zu tun hat und nicht mit Fotografie. Oder aber genauso „crossover“ zweckentfremdend arbeiten wie wir.
Die Struktur des seltsamen Zeugs, welches zur Steigerung der Stabilität von Teichufern und -untergründen gedacht ist, war es, die mich veranlasste, ein gerüttelt Maß von der schwarzen Kunststoff-Spaghetti-Knäuel-Matte zu kaufen. Neben dem ursprünglichen Verwendungszweck kann man im Übrigen fotogenen Kopfschmuck á la Nofretete bauen. Doch seht selbst.
Erwähnte ich schon Shooting Nummer Sechs? Nicht. Dann sei es hiermit getan.
Sichtlich Geschmack gefunden hatte sie im Testen ihrer Aussenwirkung als sie selbst. Und ich gebe zu, dass ich zweimal hinschauen musste, als auf diesen Highheels aus der Umkleide-Ecke kam und sagte . „Ich habe Bock auf sowas! Ziehen wir’s durch?“
Die Antwort sieht man ja. Aber ihr fragt nach Shooting Nummer 7? Ein Offizielles Siebtes gab es bis heute nicht. Wohl aber zahlreiche Fotoworkshops, in denen wir zusammen unterschiedlichsten Leuten die feine Linie zwischen Tittenknipsen und sinnvoller Aktfotografie demonstrierten.
Eigentlich wäre es in der Tat mal spannend, wenn wir uns nochmal über eine Fortsetzung unserer fotografischen Symbiose Gedanken machen. 12 Jahre sind vergangen seit dem ersten Klicken der Kamera. Intensive Shootings und allerlei gemeinsam erlebte Skurrilitäten bei Workshops und die zauberhafteste Motivtorte, die meinen Junior in den Himmel der schokolastigen Glückseligkeit katapulierte, folgten. Ein grandioses Bodypainting-Shooting bei unserem Freund Jacek war das letzte fotografische Aufeinandertreffen.
Warum also nicht ein Shooting mit der „großen“ Tanzmaus?
Schauen wir mal, was 2024 so bringt?