Ich hatte es ja schon „angedroht“, dass ich mich nicht an Chronologie oder Prioritäten halten werde, wenn ich mal dieses, mal jenes aus dem Nähkästchen krame. Der „Pajero“ ist sicher ein Quell heiterer Anekdoten, die ich aber erst einmal hinten anstelle heute.
In Angesicht der drohenden Polarnacht, die sich mir gerade beim Blick aus dem Fenster bietet, war mir danach, etwas völlig gegensätzliches aus den Bilderordnern hervorzukramen. Und was bietet sich da besser an, als gigantische Berge dunkel orange-roten Sandes mit azurblauem Himmel, der das Wort Wolke jedes Jahr neu lernen muss, weil es 364 Tage lang vergessen hat.
Wenn man die Fahrt durch das Khomas-Hochland mit seinen abenteuerlichen Serpentinen hinter sich gebracht hat und dann mit dem letzten Sonnenstrahl durch Tor in Sesriem gedonnert ist, hat man die erste große Hürde in Sachen „Sonnenaufgang in der Wüste“ quasi „logga“ überwunden.
Gut, man sollte natürlich nicht außer Acht lassen, dass sich das Gejuckel auf den Schotter und Sandpisten etwas zieht. Und dass die Vögel vom Sesriem-Park auch das Tor tatsächlich genau zum Sonnenuntergang zurammeln. So manch einer hat dort schon seine Nacht im Auto VOR dem Eisengitter verbracht. Also dresche ich wie bei einer Zieleinfahrt bei der Dakar-Ralley in einer 500 Meter langen Staubfahne durch bis zum Büro, wo man – man erinnere sich – dem Bürokratismus des südlichen Afrikas selbst an diesem absurden Ort mitten in der Namibwüste anheimfällt. Ohne „Permit“ läuft hier nämlich mal so gar nix. Also nix wie rein in das Büro, um den jungen Mann noch abzugreifen, BEVOR die Klappe fällt und man schönen kompletten Tag mit Nasebohren unter einem riesigen Kameldornbaum verbringen kann, weil man ja natürlich nicht früh morgens diesen kleinen detschen Zettel zum Einfahren in die Zentralnamib erwerben kann. Nicht das 4:30 zu früh wäre, oder das Büro nicht besetzt wäre. Nein, nein. Einfach darum.
Also, ratzifatzi, einen Stellplatz für die dampfende Karre mit gekauft und den „Fahrschein“ für die frühmorgendliche Wüstentour gelöst. Man kann natürlich auch sein Auto da stehen lassen und sich mit einer geführten Tour dorthin schuckeln lassen. Aber irgendwie ist´s schon cool, mit dem eignen Off-Roader sich durch die Dünen zu wühlen. Mal angesehen davon, dass es insgesamt sogar billiger ist. Aber wer Muffen hat, sich festzufahren, der sollte auch tatsächlich den Kutscher vor Ort fragen. Einziger Pferdefuß bei der Sache. Man ist eben einfach nicht direkt zum Sonnenaufgang in den Dünen, sondern fährt dann erst los, um die 65 km Strecke bis ins Soussousvlei hinter sich zu bringen.
Zu bedenken in Sachen „haarscharfe Ankunft VOR Sonnenuntergang“ ist auch die Tatsache, dass der kleine Laden dort, wo verheißungsvoll ein mit gut gekühlten Getränken Glasfrontkühlschrank in einer dunklen Ecke altargleich in hellem Schein leuchtet, einfach auch die Tür abschließt. Also nix mit „Feierabendbierchen“ oder dem allerorts gereichten „sundowner“. Beim Besuch im Soussousvlei und eigentlich auch an allen bekannteren „hot spots“ sollte man auch ein nicht ganz unwichtiges Detail im Hinterkopf behalten. Der Zeitpunkt im Jahr spielt eine Rolle. Und dabei meine ich weniger klimatische Eigenwilligkeiten unseres Globus, die sich Jahreszeiten nennen, sondern den „Gemeinen Südafrikaner“ in Namibia. Der von den Buren abstammende weiße Südafrikaner hat es sich aus irgendeinem Restfunken Kolonialismus heraus zu eigen gemacht, in seinen 2-monatigen „Winterferien“ heuschreckenartig das Nachbarland Namibia mit seiner Anwesenheit zu „beglücken“.
Der Evolutionsbiologe würde frohlocken, denn wo sonst bekommt man an lebenden Hominidenpopulationen so schön demonstriert, was das Stichwort „Inzuchtphänomen“ bedeuten kann.
(Anmerk. d. Verf.: Bevor mir wieder „political incorrectness“ vorgeworfen wird, folgendes. Klischees sind zum Ausbaden da. Wir Deutschen sind ja auch die Trekking-Sandalen tragenden humorbefreiten Hilfs-Sheriffs mit Mäkel-Lizenz und Hobby-Hausmeister der Welt sowie der Franzose beim Wort „Krötenwanderung“ eigentlich schon über einen Kurztrip nach Deutschland nach denkt, aber nicht aus ökologischen Gründen. Abhalten tut ihn nur die Tatsache, dass man mit zwei Baguettes unterm Arm so schlecht im TGV sitzen kann. Also, ihr wisst was ich meine? Klar soweit? Prima!)
Naja, jedenfalls hat das ständige „Sich-nur-mit-Seinegleichen-kreuzen“ den Vorteil, dass man diese Morphe des Homo sapiens schon am Phänotypen eindeutig ausmachen kann. Problem ist nur die Dichte, in der sie auftreten. Denn sonst hätte man die Chance möglichst viel Raum zwischen sich und dem saufenden und gröhlenden Apartheit-Relikten zu lassen. Klitzekleiner positiver Effekt dabei. Wenn die erst mal lattenstramm sind – und das geht schnell – kann man sein Defizit in Sachen Feierabendbier ganz eigennützig und opportun ausgleichen.
Findet man dann doch in den Schlaf haut einen der Wecker gegen 4 Uhr rustikal aus der REM-Phase, die man sich mühsam erarbeitet hatte. Im Stockfinstern wuchtet man seine Utensilien ins Auto, Zelt bleibt stehen, Kamera MUSS natürlich mit. Und dann ist erst mal monotones Geradeausfahren auf einer gewalzten Sand-Salz-Teer-Piste angesagt. Und wie es ist, mit Fernlicht und 4 zusätzlichen Ralley-Strahlern am Wildfang-Gitter durchs Dunkel zu brettern. Man sollte zusehen, dass entweder wirklich der erste ist, der vorne weg fährt oder aber man lässt man eine Lücke von einem Kilometer, ansonsten ist Staubfressen angesagt. In sich haben es dann nur die letzten 5 Kilometer. Denn jetzt geht es einfach durch echten Wüstensand. Der hat zwar die eine oder andere kleine Gemeinheit in sich versteckt, aber wenn man Flugsandbereiche und im Sand verwehte Felsbrocken einfach ignoriert und sich über Spurstangen und Ölwanne sowie glühend heißes Differential keine Gedanken macht, wird man mit einem der großartigsten Sonnenaufgänge belohnt, den man sich vorstellen kann.
Und den kann man tatsächlich nicht Worte fassen, sondern muss ihn einfach erlebt haben.
In diesem Sinne
Es grüßt der Papendieck